Das Langhalshörnchen

Heute möchte ich dem interessierten Leser von der sensationellen Entdeckung eines kasachischen Forschungsteams berichten. Diese Entdeckung liefert den eindeutigen Beweis dafür, dass der Mensch auch abseits der Gentechnik ganz erheblichen Einfluss auf die Evolution nimmt bzw. hat.

Doch von Anfang an. Was war geschehen? Vor einigen Monaten machte sich ein Team von Biologen und Veterinärmedizinern unter der Leitung des renommierten Zoologen Prof. DDr.  Äbdischämil MSc auf, um die Tierwelt des schwarzen Kontinents auf ihre Vollzähligkeit hin zu überprüfen. Zu Beginn der Mission zeigte sich den Wissenschaftler ein ähnliches Bild, wie sie es bereits seit unzähligen Expeditionen der Vergangenheit kannten. Unzählige Tierarten waren wirtschaftlichen als auch privaten Interessen der Menschheit zum Opfer gefallen und mussten für ausgestorben erklärt werden. Doch dann geschah etwas völlig Unerwartetes. In Südafrika wurden einzelne Mitglieder des Teams Zeugen des erfolglosen Jagdversuches eines Löwenmännchen (Panthera leo). Sie werden sich jetzt sicher fragen: „Löwe und Jagd in der freien Natur? Was bitteschön ist denn daran so Besonderes?“ Richtig erstmals gar nichts. Die wirkliche Entdeckung folgte erst, und wäre so vermutlich nie geschehen, hätten die Wissenschaftler nicht gegen ihr Berufsethos verstoßen. Doch zurück zum Anfang. Es gelang dem König der Savanne zwar nicht seine Beute, eine Giraffe (Giraffa giraffa), niederzuringen, allerdings hat er sie so schwer verletzt, dass sie nach einiger Zeit zusammenbrach und liegen blieb. Sie wollte aber auch nicht sterben. Nachdem die Forscher dem grausigen Schauspiel eine Weile untätig beiwohnten entschlossen sie sich dazu (entgegen der althergebrachten Tradition nicht in den Lauf der Natur einzugreifen) das Tier von seinem Leiden zu erlösen. Die Forscher näherten sich also vorsichtig dem bemitleidenswerten Geschöpf und schickten es mit Hilfe eines eilig herangekarrten Jagdgewehres auf die saftigen Weidegründe des ewigen Nationalparks. Im Norm- und Regelfall hätten sich die Biologen nun wieder zurückgezogen und wären wieder ihrer Arbeit nachgegangen, nicht so an diesem Tag. Da sich unter den Mitgliedern des Teams einige Studenten der Zoologie befanden und sich die Gelegenheit eine fast unversehrte Giraffe eingehend zu studieren nur sehr selten bietet ordnete der Forschungsleiter die Bergung und den Transport ins nahe gelegene Missionscamp an. Begann die obligatorische Obduktion des Tieres noch wie jede andere, nahm sie jedoch schon bald eine überraschende Wendung. Die Untersuchung des Kopfes des Tieres zeigte, dass es sich bei der mutmaßlichen Giraffe in Wirklichkeit um eine völlig neue und bisher unbeschriebene Art aus der Familie der Giraffen (Giraffidae) handeln dürfte, was in einer völlig unterschiedlichen Physiologie des Kauapparates begründet lag. Anders als bei einer normalen Giraffe, die über ein klassisches Wiederkäuergebiss verfügt erinnerten die Kauwerkzeuge dieses Tieres eher an jenes der Vertreter der Nagetiere und da ganz speziell der Eichhörnchen (Sciuridae). Ging das Forschungsteam anfangs noch von einer einmaligen Spontanmutation aus, zeigten unverzüglich durchgeführte molekulargenetische Untersuchungen, dass es sich hier um keine einmalige Laune der Natur handelte. Die Wissenschaftler hatten also tatsächlich eine gänzlich neue Giraffenart entdeckt. Aber warum erst jetzt werden sie sich sicher zu Recht fragen, wie konnte man bisher Tiere, die 6 Meter Höhe und 1600 kg erreichen können einfach übersehen. Nun, die Antwort ist ganz einfach. Die vorher erwähnten Untersuchungen ergaben nicht nur, dass das Tier eine neue Art darstellte, sie deuteten auch darauf hin, dass die Art als solche noch keine Zehn Jahre existierte, also das jüngste Mitglied in der Giraffenfamilie darstellte. Nun stellt sich natürlich die Frage, was dazu führte, dass eine so komplexe evolutive Veränderung in absoluter Rekordzeit stattfand. Des Rätsels Lösung findet sich in der landwirtschaftlichen Expansion der Industrienationen. Der Hunger der 1. Welt auf Süßes und da speziell auf Schokolade führte Ende des vorigen Jahrhunderts schon bald dazu, dass die landwirtschaftlichen Kapazitäten Europas und Amerikas an ihre Grenzen stießen und wichtige Rohstoffe wie etwa Nüsse nicht mehr in einem befriedigenden Maße bereitstellen konnten, weshalb große Konzerne auf dem afrikanischen Kontinent riesige unberührte Flächen aufkauften und landwirtschaftlich nutzbar machten. Im Laufe der Zeit entstanden weitläufige Monokulturen. Und eine dieser Monokulturen ist auch für die Entstehung unserer neuen Giraffenart verantwortlich. Die Suche nach weiteren Vertretern dieser Art führte unsere Wissenschaftler in ein großes Walnussanbaugebiet im Norden Südafrikas, wo sie eine große Herde dieser Tiere ausfindig machen konnten. Und hier fanden sie auch den Grund für den Entwicklungssprung. Ein belgischer Konzern kultivierte hier auf unzähligen Quadratkilometer schon seit einiger Zeit Walnussbäume, die als Bioinvasoren nahezu alle anderen Pflanzenarten verdrängten, bis schließlich nur noch spärliches Gras und eben die Nussbäume übrig blieben, was die dort heimische Tierwelt zur Abwanderung oder Anpassung zwang. Und der Giraffe gelang die Anpassung in absoluter Rekordzeit. Ernährten sie sich anfangs noch von den nicht so nahrhaften Blättern der Bäume und den wenig verbliebenen Gräsern so gingen sie schon bald dazu über sich über die wesentlich proteinreicheren Nüsse herzumachen, was ein Wiederkäuergebiss dann doch vor eine ziemliche Herausforderung stellt. Und so geschah es, dass die Tiere in nur wenigen Generationen einen dem Nagetiergebiss beinahe identischen Kauapparat entwickelten, der sie befähigt selbst die härtesten Nüsse zu knacken. Warum das aber in so einem wahnwitzigen Tempo geschah ist bis jetzt noch nicht ganz geklärt, viele Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass die Pflanzenschutz- und Wachstumsmittel, die von vielen Betrieben großzügig zum Einsatz gebracht werden an der Entwicklung nicht ganz unschuldig sind. Die genaue Ursache wird aber sicher schon bald, wie auch die Suche nach weiteren neu entstanden Arten, Teil intensiver Forschungen werden.